Stellungnahme zu dem Artikel von Prof. Dr. Pfister und Prof. Dr. Nolte
zur ESCCAP-Empfehlung „Helminthen“, erschienen im April 2014 im „Roten Heft“ des bpt-Landesverbandes Bayern.
Die Autoren Prof. Dr. Kurt Pfister und Prof. Dr. Ingo Nolte bezeichnen das ESCCAP-Gremium als „selbst ernannte und somit selbst legitimierte Expertengruppe“. Dazu Folgendes: Bei der Gründung von ESCCAP im Jahr 2008 wurden die vier großen deutschen Fachverbände BTK, DVG, bpt und DKG-DVG eingeladen, jeweils geeignete Vertreter aus ihren Reihen für die Mitarbeit bei ESCCAP zu stellen, was alle vier Verbände getan haben. Darüber hinaus wurden die Kleintierkliniken und parasitologischen Institute aller fünf deutschen tierärztlichen Fakultäten eingeladen, an den ESCCAP-Empfehlungen mitzuarbeiten. Dieses Angebot wurde von den parasitologischen Instituten der Fakultäten Hannover, Berlin, Leipzig und Gießen sowie von den Kleintierkliniken Berlin, Gießen und München angenommen. Das Ergebnis war und ist ein vielschichtiges, unabhängig besetztes Gremium aus erfahrenen KleintierpraktikerInnen und VertreterInnen aller fünf deutschen Fakultäten.
Die Autoren Pfister und Nolte bezeichnen die ESCCAP-Empfehlung als „Richtlinien für die Entwurmung von Hunden und Katzen“. Diese Bezeichnung ist falsch. Denn: Erstens gibt ESCCAP keine Richtlinien heraus, und zweitens geht es ESCCAP nicht um die Entwurmung, sondern um die sachgerechte strategische Bekämpfung von Helminthen bei Hunden und Katzen, bei der die Entwurmung neben Diagnostik, Haltungs- und Hygienemaßnahmen nur einen Aspekt unter vielen ausmacht. Der korrekte, im gesamten Gremium abgestimmte und wohlüberlegte Titel lautet daher „ESCCAP-Empfehlungen zur Bekämpfung von Helminthen bei Hunden und Katzen“.
Die Autoren kritisieren – besonders gerichtet an die beteiligten Verbände –, dass die freiberufliche Unabhängigkeit von niedergelassenen Tierärzten/-innen durch die „ESCCAP-Richtlinien“ in Frage gestellt werde. In den ESCCAP-Empfehlungen wird deutlich darauf verwiesen, dass es sich eben nicht um „Richtlinien“ oder „Leitlinien“ handelt, sondern das Ziel aller ESCCAP-Empfehlungen lediglich ist, Tierärzten/-innen eine fundierte Entscheidungshilfe für eine sachgerechte Bekämpfung, Prävention, Metaphylaxe und Therapie an die Hand zu geben.
Deutsche Tierarztpraxen wurden und werden von ESCCAP auch nicht, wie von den Autoren Pfister und Nolte behauptet, mit „diversen Dokumentationen und Hochglanzbroschüren eingedeckt und regelrecht überflutet“. In den ersten Jahren nach der ESCCAP-Gründung wurden allen deutschen Tierärzten/-innen einmalig die Empfehlungen „Helminthen“ und „Ektoparasiten“ per Post zugeschickt. Seitdem erhalten lediglich Praxisneugründer einen Brief mit dem Angebot, den ESCCAP-Service zu nutzen. Materialien wie Empfehlungen und Broschüren werden aber nur dann zugeschickt, wenn Tierarztpraxen diese selber aktiv bei ESCCAP anfordern.
Die Autoren behaupten ferner, dass ESCCAP den Eindruck einer „prophylaktischen Wirksamkeit“ von Anthelminthika vermittle und den Tierhalter/-innen damit täuschen und in falscher Sicherheit wiegen würde. Dies ist falsch. Im Gegenteil: ESCCAP ist bemüht, besonders solche Fakten, die von Tierhalter/-innen häufig missverstanden werden, sachgerecht aufzuklären. So findet sich z. B. auf der ESCCAP-Website der Hinweis darauf, dass eine Wurmkur eben nur über 24 Stunden wirksam ist und keinerlei prophylaktischen Effekt hat. Der Entwicklungszyklus (Infektion, Präpatenz, Patenz) wird laienverständlich erklärt, und die Konsequenzen aus diesen Tatsachen für die Möglichkeiten und Grenzen des Schutzes vor Helminthen werden verdeutlicht.
Ebenso ist es falsch, dass ESCCAP argumentiert, eine pauschale Metaphylaxe in Form einer pauschalen Entwurmung sei preiswerter als die regelmäßige Untersuchung von Kotproben und damit der Diagnostik vorzuziehen. ESCCAP betont stets die Relevanz von Kotuntersuchungen und hat aus diesem Grund einen separaten Diagnostikleitfaden herausgebracht, in dem Tierärzten/-innen und Tiermedizinischen Fachangestellten verschiedene geeignete diagnostische Verfahren in Wort und Bild vermittelt werden.
Ein wesentlicher Kritikpunkt, der sich durch die gesamten Ausführungen der Autoren Pfister und Nolte zieht, ist die Unterstützung der ESCCAP-Arbeit durch Sponsoren. Ohne diese Unterstützung wäre keine ESCCAP-Arbeit möglich. Gleichzeitig bestehen aber keine inhaltliche Einflussnahme und schon gar keine Abhängigkeiten zwischen den Sponsoren und den bei ESCCAP Deutschland mitarbeitenden Verbänden, Professoren und Praktikern. Die Formulierung der ESCCAP-Empfehlungen findet bewusst und vollständig unter Ausschluss der Sponsoren statt. Dies wird durch die Kontrolle der beteiligten Verbände, deren Vertreter sowie der Universitätsmitarbeiter sichergestellt.
Der wohl zentrale Punkt der Ausführungen der Autoren Pfister und Nolte ist die Behauptung, das von ESCCAP empfohlene Vorgehen sei fachlich, veterinärmedizinisch und ethisch nicht vertretbar. Gesondert wird auf die Einschätzung des derzeitigen Verwurmungsgrads und der Resistenzlage verwiesen. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, sämtliche angeführten Zahlen im Einzelnen zu kommentieren, zumal sämtliche ESCCAP-Empfehlungen mit aktuellen Studien hinterlegt sind. Dennoch dazu Folgendes:
- Im deutschen ESCCAP-Gremium sind mit Prof. Dr. Christina Strube, Prof. h. c. Dr. Christian Bauer, Prof. Dr. Arwid Daugschies, Prof. Dr. Georg von Samson-Himmelstjerna vier der deutschen tiermedizinischen Fakultäten auf leitender Ebene vertreten. Beteiligt sind darüber hinaus Prof. Dr. Anja Joachim von der Veterinärmedizinischen Universität Wien und Prof. Dr. Peter Deplazes vom Institut für Veterinärparasitologie der Universität Zürich. Die veterinärparasitologische Fachkompetenz dieses Gremiums ist wohl nicht in Frage zu stellen. Und auch die lauteren Absichten und die fachliche Kompetenz aller weiteren beteiligten Universitätsprofessoren, Verbandsvertreter und Praktiker sind unantastbar.
- Die von ESCCAP vertretenen, auf einer individuellen Risikoabschätzung basierenden Empfehlungen zur wiederholten Kotprobenuntersuchung oder Entwurmung berücksichtigen einerseits das Erkrankungsrisiko für die Hunde und Katzen sowie andererseits das von bestimmten Zoonoseerregern ausgehende Infektionsrisiko für die Menschen. In einer differenzierten und auf dem Stand des Wissens basierenden Abwägung empfiehlt das Gremium z. B. bei Hunden je nach individueller Risikoabschätzung eine jährliche, dreimonatige oder monatliche Kotprobenuntersuchung oder Entwurmung. Dieses Vorgehen wurde kürzlich nochmals auf Ebene der europäischen ESCCAP-Mitglieder einhellig als wissenschaftlich begründetes und ausgewogenes Verfahren empfohlen.
- Die von den Autoren Pfister und Nolte geäußerte Behauptung, eine fachlich korrekt durchgeführte Kotprobenuntersuchung weise mit hoher Zuverlässigkeit den Verwurmungsstatus eines Tieres nach, ist derart verallgemeinert nicht korrekt. Wissenschaftliche Untersuchungen haben z. B. gezeigt, dass die Nachweissicherheit je nach vorliegender Wurmart und Infektionsintensität sehr großen Schwankungen unterworfen ist. So lassen sich Infektionen mit Bandwürmern offenbar in der Mehrzahl der Fälle durch die rein mikroskopische Kotprobenuntersuchung nicht zuverlässig erfassen. Weiterhin ergaben Kotproben, in denen z. B. weniger als 50 Spul- oder Hakenwurmeier pro Gramm Kot enthalten waren, je nach verwendetem Nachweisverfahren eine Sensitivität zwischen ca. 20 und 90 Prozent (Krämer A, Diss. TiHo Hannover 2005).
- Es gibt derzeit in ganz Europa keine wissenschaftlichen Hinweise auf Anthelminthika-Resistenzen bei in Hunden und Katzen vorkommenden Würmern. Auch weltweit gibt es lediglich einzelne Veröffentlichungen aus Australien und den USA über Unwirksamkeiten bei Haken- bzw. Herzwürmern. Grundsätzlich bedeutet dies zwar nicht, dass solche Resistenzen nicht entstehen können, allerdings gibt es auch keinen Grund anzunehmen, es gäbe einen Automatismus, der zwangsläufig dazu führe. Denn entscheidende Unterschiede zu der Situation bei z. B. Wiederkäuern sind vergleichsweise wesentlich niedrigere Behandlungsfrequenzen, fundamental kleinere Bestandsgrößen, weniger große Parasitenpopulationen sowie eine erheblich niedrigere genetische Diversität bei den in Fleischfressern vorkommenden Parasiten. Nach aktuellem Wissensstand erscheint ein gezielter, maßvoller Einsatz von Anthelminthika bei Hund und Katze unbedenklich, umso mehr, wenn dabei Wirkstoffe unterschiedlicher Klassen verwendet werden.
Ein letzter Hinweis noch: Prof. Dr. Pfister und Prof. Dr. Nolte waren von ESCCAP eingeladen worden, die ESCCAP-Empfehlung zur Bekämpfung von Helminthen bei Hunden und Katzen VOR Veröffentlichung konkret im Einzelnen zu kommentieren und sich damit konstruktiv an der fachlichen Diskussion zu beteiligen. Sie haben diese Möglichkeit nicht wahrgenommen. Ihren aktuell veröffentlichten Standpunkt haben sie ebenfalls nicht direkt an das ESCCAP-Gremium gerichtet und damit einer kollegialen, fachlichen Diskussion außerhalb der Öffentlichkeit leider keine Möglichkeit gegeben.
ESCCAP Deutschland im Mai 2014, unterzeichnet von:
Bundestierärztekammer e.V. (BTK)
Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V. (bpt)
Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft (DVG)
Deutsche Gesellschaft für Kleintiermedizin der DVG (DGK-DVG)
Prof. h. c. Dr. Christian Bauer vom Institut für Parasitologie vom Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen, Vertreter der DVG im ESCCAP-Gremium
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Direktor des Instituts für Parasitologie der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig, Leiter der DVG-Fachgruppe Parasitologie und parasitäre Krankheiten
Prof. Dr. Manfred Kietzmann, Direktor des Instituts für Pharmakologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover
Prof. Dr. Barbara Kohn, Klinik und Poliklinik für Kleine Haustiere, Fachbereich Veterinärmedizin, FU Berlin
Prof. Dr. Georg von Samson-Himmelstjerna, Direktor des Instituts für Parasitologie und Tropenmedizin der tierärztlichen Fakultät der FU Berlin, Vorsitzender von ESCCAP Deutschland
Prof. Dr. Christina Strube, PhD, Direktorin des Instituts für Parasitologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover
Prof. Dr. Anja Joachim, Leiterin des Instituts für Parasitologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien